Immer wieder hört man – meistens von Männern – dass Frauen es ja viel leichter hätten, als Streamer Erfolg zu haben. Sie begründen dies meist damit, dass Frauen ja nur gut aussehen müssten und dann bekämen sie schon massig Zuschauer und Follows. Diese Darstellung ist nicht nur sexistisch und frauenfeindlich, sie ist auch falsch. Es ist sogar eher das Gegenteil der Fall. Lasst mich erklären.
Mit der Behauptung, dass Frauen ja „nur gut aussehen müssten“, um Views zu bekommen, reduziert Man(n) die Frau bereits rein auf deren Optik. Dabei wird das potentielle Talent, die harte Arbeit und das Durchhaltevermögen der betreffenden Frauen komplett ignoriert und ausgeblendet. Denn natürlich braucht eine Frau diese Dinge genauso wie ein Mann, um langfristig Erfolg im Streaming zu haben. Während einige Frauen kurzfristig Aufmerksamkeit erzielen können, ist die langfristige Etablierung einer stabilen Zuschauerschaft, die Inhalte wegen Persönlichkeit, Können oder Unterhaltung schätzt, genauso schwierig wie für männliche Streamer – wenn nicht sogar schwieriger. E
ine Streamerin kann im oversized-Pullover den Stream starten und über ihre Katzen reden, während sie Sims spielt – sie muss immer damit rechnen, dass mindestens ein notgeiler Facebook-Dieter(59) ihren Chat entert und ein „Zeig Titten“ hinrotzt. Männer müssen an dieser Stelle meist nur den leeren Chat fürchten.
In meinen inzwischen 9 Jahren als Streamer wurde ich selbst kein einziges Mal in irgendeiner Form sexuell belästigt im Chat. Das dürfte auf die meisten männlichen Streamer zutreffen.
Dafür gibt es fast keine Frau auf twitch und co, die nicht mindestens ein Mal sexuelle Übergriffe erlebt hat. Hier ein paar echte Berichte von Frauen, die aktiv streamen, oder es mindestens ein Mal gemacht haben:
Hab 1 mal Streaming probiert ohne Kamera einfach so Halt Kam direkt ein Typ rein der es geschafft hat mein Facebook zu finden und mir die ganze Zeit so komisch angedeutet hat dass er weiß wo ich arbeite (Umschreibung vom Firmen Name…) usw. Ich hatte so Angst dass ich direkt wieder ausgemacht hab.
Genau wegen sowas habe ich mit Twitch direkt wieder aufgehört.„Hast du OF?“ „Zeig mal bisschen mehr“ „Bock auf ein Date?“ „Viel zu kleine Titten“
Sicherlich gibt es Streamerinnen, die sich über ihre Optik vermarkten. Aber der Großteil muss sich bemühen, überhaupt ernst genommen zu werden. Und untereinander sind weibliche Streamer leider oft auch nicht gerade angenehm.
Mir wurden 50€ per Donation gespendet und dann im Chat verlangt, dass ich als „Gegenleistung“ nun ja meine Brüste etwas mehr zeigen könne. Als ich mich weigerte, wurde ich beleidigt und die Donation zurückverlangt.
Mindestens ein Mal pro Woche will irgendein neuer Chatter in seiner ersten Chatnachricht überhaupt, dass ich Füße, Brüste oder Arsch zeige. Per Instagram bekomme ich alle paar Tage 🦢z-Bilder per DM.
Ich bekomme regelmäßig ein „OF detected, opinion rejected“ unter meine Reels gekotzt.
Ich habe mit dem Streamen aufgehört, nachdem ein aufdringlicher Viewer mich gestalkt hat. Er machte sich immer wieder neue Accounts, um mich zu belästigen, bis er meine echte Adresse irgendwie bekam und dann vor meiner Tür auftauchte. Ich musste die Polizei rufen.
Das sind nur einige wenige Berichte. Aber es gibt mehr davon, viel mehr. Und DAS ist mit Sicherheit nicht die Reichweite, welche Frauen haben wollen. Das ist mit Sicherheit kein Erfolg auf twitch. Im Gegenteil.
Frauen werden in der Streaming-Community deutlich häufiger mit sexistischen Kommentaren, Belästigungen und Anfeindungen konfrontiert, als Männer. Solche negativen Erfahrungen erhöhen die psychische Belastung, erschweren die aktive Teilhabe und führen oft dazu, dass sich Frauen zurückziehen oder zusätzliche Strategien zum Selbstschutz entwickeln müssen. Und das nicht nur on Stream: Auch in Online-Games werden Frauen oft so behandelt, sobald männliche Mitspieler erkennen, dass sie da eine Frau in der Lobby haben. Wenn die Frau dann noch streamt, ist die Belastung also quasi doppelt.
Natürlich gibt es auch weibliche Streamer*innen, die ihren Content selbst auf ihren Körper fokussieren und über Onlyfans und co. massig Geld machen. Diese sind aber nicht der Querschnitt der weiblichen Streamer*innen, sondern eher ein kleiner Teil. Mehrheitlich möchten weibliche Streamer*innen das selbe, wie die Männer: Mit ihrem Content eine Community aufbauen – und eventuell ein wenig dabei verdienen.
Dennoch ist es Blödsinn, die Frauen dafür zu shamen. Denn wer ist es denn, der diesen Frauen diesen Erfolg überhaupt gewährt, indem besagter Content vermehrt gesucht und geklickt wird? Richtig: Männer. Aber die werden dafür natürlich nicht geshamed, dass sie den Content konsumieren – nein, Schuld ist immer die Frau, die den Content produziert – zumindest nach der verdrehten Logik der Männer.
Statistisch betrachtet dominieren männliche Streamer weiterhin die Spitze von Plattformen wie Twitch oder YouTube. Dies legt nahe, dass es strukturelle Barrieren gibt, die es Frauen eher erschweren, nachhaltigen Erfolg auf höchster Ebene zu erzielen.
Fazit
Die Behauptung, Frauen hätten es im Streaming einfacher, ist falsch, weil sie strukturelle und soziale Hindernisse ignoriert, mit denen Frauen konfrontiert sind. Stattdessen ist es realistischer, Streaming-Erfolg geschlechtsübergreifend als anspruchsvolles und wettbewerbsintensives Feld zu begreifen, in dem es Frauen aufgrund sozialer Dynamiken und diskriminierender Faktoren oftmals schwerer haben.
Cheers.
Beriel