Immer wieder hört man zu Games, sie sollen doch unpolitisch sein – meist in Verbindung mit dem Vorwurf, Game XY sei woke. Woke, an sich ein positives Wort, wird von Rechten und Konservativen inzwischen regelmäßig negativ umgedeutet und als Kampfbegriff missbraucht, wenn jene, die es rufen, eine politische Agenda hinter etwas vermuten. Meist dann, wenn der/die Protagonist*in in einem Medium weiblich, queer und/oder dunkelhäutig ist. Grundsätzlich sind BiPoC ein Feindbild der Anti-Woken. Egal, wo – sobald eine dunkelhäutige Person zu sehen ist, brüllen sie Go woke, go broke und ähnliches.
Bei Games ist das nicht anders. Sobald ein Charakter ins obige Schema fällt, wird woke gebrüllt und gejammert, warum das Spiel politisch sei. Dabei waren Games schon immer „politisch“. Nicht nur aufgrund von Hautfarben oder Sexualitäten – sondern allein schon aus dem Grund, weil hinter jedem Plot und jedem Ereignis in einem Spiel meist eine Botschaft steckt. Selbst ein Call of Duty 1 ist bereits politisch; Man spielt einen/mehrere Soldaten im 2. Weltkrieg, die gegen das faschistische Deutschland der damaligen Zeit kämpfen. Die Botschaft hinter dem Plot: „Bekämpfe den Faschismus.“ Das ist eindeutig eine politische Message. Das hat sich auch mit den späteren Ablegern nicht verändert, auch wenn der Feind sich mit dem Wechsel in die Moderne und Zukunft geändert hat – die Botschaft war dann einfach „Der gute US-Soldat kämpft gegen den Bösen Feind für die Demokratie“. Die Spiele laufen über vor amerikanischem Patriotismus und damit auch vor politischer Message.
(Interessanterweise blöken da die Anti-Wokes aber nie, was deren tatsächlichen Motive eigentlich entlarvt)
Auch andere gefeierte Spiele wie Detroit: Become Human oder Deus Ex: Mankind Devided haben eine politische Botschaft. Wobei anzumerken ist, dass die Deus-Ex-Reihe ohnehin für politische Botschaften steht, die gesamte Lore beruht ja auf Verschwörungen und Machtspielen der „Großen“. Und dennoch werden diese Spiele mit Lob überhäuft.

Fakt ist: „Keep your politics out of my games“ ist ein Ruf, der nicht von der Gesamtmenge der Spieler*innen kommt. Er richtet sich nur gegen ganz bestimmte Punkte.
Es geht dabei einzig und alleine um die als nicht zugehörig wahrgenommenen, marginalisierten Gruppen und Themen: Frauen, BiPoC, LGBTQA. Die Inklusion dieser Gruppen – ob nun als Zielgruppe für das Game oder durch ihr Auftreten im Spiel – wird von Rechten und Konservativen Teilen der Gaming-Bubble als Indoktrination betrachtet und abgelehnt. Hier folgt dann der altbekannte Wokeness-Vorwurf und die Forderung, unpolitisch zu sein. Man lehnt nicht die Politik an sich ab, sondern die genannten Gruppen.
Bevor ihr mir jetzt an den Kopf werft, die Rassismus-Keule zu nutzen, haltet eure Mistgabeln still: Denn der Grund dieser Ablehnung ist nicht nur aufgrund Rassismus – das wäre zu kurz gedacht. Es geht vielmehr um das konservative, altbekannte Weltbild, welches durch die Inklusion besagter Gruppen – nach Meinung der Konservativen – in Gefahr gerät.
Die Verfechter des unpolitischen Spiels haben darum kein Problem mit einem Call of Duty – solange die Handlungen des Spielers innerhalb des Drehbuches keine Infragestellungen oder gar Veränderungen des realen Herrschaftsbildes ableiten lassen. Wäre jedoch der Vorgesetzte General oder gar der eigene Protagonist transgender, wäre die Ablehnung sofort wieder da. Der Grundsatz hier: „Solange das Spiel mich und mein eigenes Weltbild nicht beeinträchtigt und hinterfragt, bin ich fein damit“.
Zum Glück für alle sind diese Zwischenrufer selbst nur eine kleine, aber einfach laute, Minderheit unter den Gamern. Dennoch ist es nervig, ständig in den Steam-Foren und sozialen Netzwerken erst einmal diese Anfeindungen gegen die Spiele zu lesen – vor allem aus Sicht der Entwickler*innen, die ihre Arbeit in diese Spiele gesteckt haben.
Diese Anfeindungen sind daher Quatsch. Denn grundsätzlich gilt: Ein Spiel kann niemals absolut 100% unpolitisch sein. Denn Jedes Spiel erzählt ja seine Geschichte, seinen Plot. Dieser vermittelt am Ende immer eine Botschaft – und ist damit mehr oder minder politisch. Denn in eine Geschichte – egal, ob in einem Spiel, einem Buch oder einem Film – fließt immer ein Stück weit auch die politische Gedankenwelt des/der Autor*innen ein. Schon alleine die Frage, ob die Welt, in welcher die Geschichte spielt, eine Demokratie, ein Kaiserreich oder eine Diktatur bildet, ist politisch. Und natürlich ist auch die Wahl der/des Protagonist*in mit politisch. Es ist natürlich auch eine politische Entscheidung, ob man nun einen weißen Soldaten wie Captain Amerika spielt, oder einen dunkelhäutigen Sklaven, der sich zum Piratenfürst hocharbeitet. Dahinter steckt jedoch mitnichten eine Indoktrinierung.
Kein Studio entwickelt ein Spiel mit einem BiPoc als Hauptcharakter, um uns zu vermitteln, dass es „besser wäre, schwarz zu sein“ oder Weiße zu „ersetzen“. Diese Entscheidung ist vielmehr Teil der Überlegungen zur Geschichte und Lore des Endprodukts. Das gilt natürlich auch, wenn der Hauptcharakter eben ein weißer Mann ist – auch DAS ist mit eine politische Entscheidung. Als damals Pacman eine Ehefrau und ein Kind bekam, war das ja auch eine politische Message: Die Optik und die Geschlechterrolle von Mrs Pacman war schon in sich politisch geladen. Dennoch wird der Entwickler dabei mitnichten gedacht haben: „Hiermit indoktriniere ich die Spieler*innen, dass es nur Mann und Frau gibt und nur Hetero“.
Wäre Pacman umgekehrt nun mit einem Ehemann ergänzt worden, wäre es ebenso wenig eine Indoktrination in die andere Richtung – aber dennoch sind beides politische Aussagen in sich; nur haben beide Darstellungen keine politische Absicht. Spiele wollen unterhalten, nicht unser Weltbild verändern.
Natürlich gibt es auch Spiele, die ganz bewusst bestimmte politische Merkmale darstellen und tatsächlich eine politische Absicht haben – aber das trifft auf weitaus weniger Spiele zu, als es uns die Anti-Wokes so gerne weismachen wollen. Ironischerweise kommen die meisten dieser Spiele mit tatsächlicher Indoktrinationsabsicht aus eben dieser konservativ rechten Ecke – das sind dann meist Spiele, die in den meisten Ländern und Shops sogar verboten werden, weil sie ein Weltbild verherrlichen, welches unter anderem den 2. Weltkrieg verursacht hat. Und solche Spiele möchte niemand spielen, der nicht eben dieses gestörte Weltbild hat. Ich werde hier übrigens ganz bewusst keines dieser Spiele beim Namen nennen. Es gibt genug Videos auf Youtube dazu und auch Webartikel, aber ich verlinke auch diese nicht. Denn diese Spiele sind zum Glück weniger als eine Randnotiz in der Geschichte des Gamings und dürfen meiner Meinung nach auch genau das bleiben.
Und natürlich gibt es inzwischen vermehrt in Spielen eine Inkludierung von marginalisierten Gruppen. Das hat aber keine Agenda zum Hintergrund, sondern einfach den Grundgedanken der Inklusion – die Entwickler*innen möchten damit natürlich auch die betreffenden Gruppen als Zielgruppe gewinnen. Durch mehr weiblich gelesene Protagonistinnen können sich natürlich auch mehr weiblich gelesene Spieler*innen mit diesen identifizieren und werden daher das Spiel eher kaufen. Durch mehr PoC eben auch BiPoc als Kunden gewonnen werden. Unser Weltbild hat sich nun mal gewandelt und Heute ist es völlig normal, dass unsere Gesellschaft bunt und vielfältig ist. Und das darf sich auch gerne in den Medien widerspiegeln.
Das ist auch oft der Grund bei Filmen und Serien für die Auswahl von bestimmten Darsteller*innen. Und das ist auch nichts Schlimmes. Natürlich muss man sich an eine dunkelhäutige Arielle die Meerjungfrau gewöhnen, wenn man das Zeichentrick-Original schon kennt. Aber der neue Film hat die gleiche Daseinsberechtigung, wie der alte. Er ist ja kein Ersatz. Der alte Film fällt dadurch ja nicht weg, kann weiter geschaut und genossen werden. Nur jetzt haben eben auch BiPoC ihre Arielle und können sich mit der Meerjungfrau identifizieren. Das ist toll und tut niemandem weh. Es wird niemandem etwas weggenommen.
Und das Selbe gilt für die Spiele. Niemandem wird etwas dadurch weggenommen, dass Antea in Banishers: Ghosts of New Eden dunkelhäutig ist. Die Geschichte wird dadurch nicht schlechter, oder besser – das Gameplay ist so, wie es ist – gleich der Hautfarbe oder des Geschlechts des Charakters.

Zumal es eben – wie bereits oben geschrieben – ohnehin politisch bleibt, auch wenn der Protagonist ein weißer Hetero-Cis-Male ist; Dann ist das auch in gewissem Grade politisch, ob nun bewusst, oder unbewusst. Und dennoch sollte ein Spiel auch in diesem Falle nicht allein aufgrund dieses Umstandes schlechter gewertet werden, als eben umgekehrt.
Außerdem zeichnet sich auch in der Debatte ein klares Bild ab: Zu 95% wird diese Debatte durch weiße Cis-Hetero-Männer gestartet. Die Beschwerden kommen zu 95% immer aus eben dieser Ecke der Konservativen. Ich habe noch keinen Forenbeitrag gelesen, in welchem sich ein BiPoC darüber beschwert, God of War wäre anti-woke, weil Kratos weiß und Hetero ist.
Aber ich wette – und das sogar gerne mit Geld-Einsatz – wenn Kratos eine dunkle Hautfarbe hätte und/oder queer wäre, dann würde es im Forum nur so hageln vor Ablehnung.
Natürlich spielt auch die Geopolitische Lage der Spieler*innen eine Rolle. Eventuell könnte es in Afrika durchaus solche Debatten geben zu z.B. God of War oder anderen Games mit weißem Main-Char. Dort ist die Mehrheit der Bevölkerung eben schwarz. Da wäre die Debatte aber auch noch verständlicher; Denn nach wie vor sind 90% der Protagonist*innen in Spielen weiß. Somit ist die Identifikation in Afrika mit den Charakteren natürlich weniger gegeben, als in unserer weiß geprägten Gesellschaft – darum ist es eben umso lächerlicher, wenn sich weiße über BiPoc-Charaktere in Spielen beschweren. Das ist so, als würde sich ein Mann vor dem vollen Kühlschrank darüber beschweren, dass ihm eine der Wurstsorten aus dem Kühlschrank nicht gefällt, während der Nachbar nur diese Wurst zur Verfügung hat.
Fazit
Halten wir fest: Spiele sind immer politisch. Mal bewusster, mal weniger bewusst. Jene, die unpolitische Spiele fordern, fordern in Wirklichkeit nur Spiele, welche ihr eigenes Weltbild stützen: Ein konservatives Weltbild, welches oft leider doch misogyn, rassistisch und queerfeindlich ist – nicht, weil Konservative per se böse sind, sondern einfach, weil dieses Weltbild aus veralteten Zeiten kommt. Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Die Frage ist nur: Wie gehe ich selbst damit um, wenn mein Weltbild nicht mehr zeitgemäß ist? Reflektiere ich es und passe ich mich an, oder brülle ich dagegen und beharre stoisch auf dem alten Bild?
In diesem Sinne: Ich freue mich auch sehr darüber, wenn ihr in den Kommentaren gerne eure Gedanken dazu abgebt – solange ihr das sachlich und frei von Hetze und Beleidigungen tut.
Cheers.
euer Beriel
Quellen:
Der Mythos vom unpolitischen Spiel – Grimme Game (grimme-game.de)
Der Mythos des unpolitischen Computerspiels – Sand und Tod (deutschlandfunk.de)