Fast jede Person, die gerne Games spielt und ggf. auch online in entsprechenden Bubbles unterwegs ist, ist schon mindestens ein Mal einem Gatekeeper begegnet. Diese Begegnungen sind nahezu immer ausschließlich eine negative Erfahrung.
Doch was ist ein Gatekeeper eigentlich?
Als Gatekeeper – engl. für Torwächter – werden in der Soziologie Personen verstanden, die aufgrund von Fähigkeiten oder Positionen die Möglichkeit haben, den Aufstieg von Menschen zu beeinflussen. Im Gaming unterdessen wird der Begriff für Leute genutzt. welche sich selbst als eine Art Elite in einem Genre/Game sehen und anderen Personen, welche nach der Meinung der Gatekeeper nicht Teil der Elite wären, den Zugang zu ihrem Bereich erschweren oder verweigern wollen. Sprich: Sie bewachen eben das sprichwörtliche Tor und sind selbsternannte Torwächter.
Gatekeeping im Gaming fängt bereits in dem Streitpunkt an, wer sich Gamer nennen darf. „Du bist kein*e Gamer*in, wenn…“ – so fängt Gatekeeping an. Wer am Handy spielt, wäre kein Gamer, wer nur bestimmte Spiele spielt, die zu casual seien, ist kein Gamer…etc. Hier spielt dann auch oft noch Misogynie und Sexismus mit, wenn auch gerne mal gesagt wird, dass Frauen „keine Gamer sein könnten“.
Es gibt aber auch Gatekeeping in bestimmten Genres und Games. Besonders vertreten in den Souls-Likes wie „Dark Souls“ oder „Elden Ring“. Diese sind bekanntermaßen enorm schwer, was den Schwierigkeitsgrad und die Zugänglichkeit angeht. Es gibt nicht einmal eine Pause-Funktion. Diese Spiele erfreuen sich in ihrer Community einer großen Beliebtheit. Und werden von Gatekeepern eisern bewacht. Denn beinahe regelmäßig – eigentlich immer, wenn ein Souls-Game released wird, oder einen DLC bekommt – entsteht eine Debatte um den sogenannten Easy-Mode. Es gibt tatsächlich Spieler*innen, die einen leichteren Schwierigkeitsgrad für diese Spiele fordern. Die Entwickler der Spiele liefern diesen aber natürlich nicht. Und so kommen am PC auch gerne mal fanmade Modifikationen für die Games, welche dann das Game leichter machen sollen. Gegner-HP werden verringert, eigene erhöht, man macht mehr Schaden, etc. etc. Soweit, so unspektakulär.
Meiner Meinung nach sind solche Mods toll, denn damit werden diese Games potentiell auch für Spieler*innen zugänglicher, welche nicht „so gut“ sind, wie die selbsternannten Hardcore-Gamer. Sei es ob eines körperlichen oder geistigen Handicaps oder aus anderen Gründen. Ich bin ebenfalls kein Pro-gamer. Ich zocke als Hobby. Und ich will dabei entspannen – und nicht frustriert den Controller an die Wand pfeffern, weil ich 200 Mal an einem Boss gestorben bin. Daher finde ich diese Mods für Leute wie mich echt toll. So kann ich die Welt und Lore von Elden Ring erkunden, ohne dass ich zu frustriert werde und schlechte Laune bekomme.
Für die Gatekeeper jedoch sind diese Mods ein Sakrileg. Mit unglaublicher Penetranz, Aggression und Feindseligkeit gehen sie all jene an, die zugeben, diese Mods zu nutzen.
„Gid gud“, schreien sie.
„Das macht das Genre kaputt!“
„Wer nicht gut genug ist, soll es eben nicht spielen!“
und so weiter. Immer die gleichen Phrasen und Argumente. Und immer dümmere Vergleiche (einer verglich es auf Threads mit Fußball). Ich möchte hier gerne die bekanntesten Argumente und Phrasen angehen und entkräften. Weil sie mich nerven.
gid gud
gid gud ist von dem Englischen „Get Good“ abgeleitet und wird absichtlich falsch geschrieben. Es bedeutet „werde gut“ und stellt die Aufforderung an andere Gamer dar, ihre Fähigkeiten zu verbessern. Grundsätzlich nichts falsches, aber die Art der Verwendung ist meist extrem exkludierend. Nicht jede*r kann „besser“ werden.
Wie bereits erwähnt, gibt es Menschen mit Handicaps. Diese Handicaps lassen sich nicht immer ausgleichen. Wer z.B. schlecht sieht, hört im RL vielleicht besser, aber in Elden Ring hilft das bessere Gehör dann herzlich wenig dabei, die fehlende Sehkraft auszugleichen. Menschen mit Handicap brauchen oft auch Hilfsmittel, um überhaupt gamen zu können.
Natürlich sind sie nicht unbedingt die Zielgruppe für Souls-Games, aber es ist doch toll, wenn diese dennoch für diese Menschen auch zugänglicher werden durch Mods. Ich kenne z.B. einen Menschen mit Sehbehinderung. Dieser würde seiner Aussage nach durchaus Elden Ring einmal versuchen, wenn es eine Mod gäbe, welche ihm den Zugang zu dem Spiel erleichtert. Welt und Lore wären für ihn potentiell interessant.
Ebenso gibt es Menschen, die einfach nicht die Zeit haben, um wirklich zu trainieren und zu üben. Sei es Familie, Job oder andere Gründe, die Zeit kosten – am Ende haben viele Menschen vielleicht nur wenige Stunden in der Woche, in denen sie sich einfach hinsetzen können zum Zocken. Diese Menschen wollen diese Zeit dann natürlich genießen und sich nicht stressen. Aber auch hier gibt es sicherlich Menschen, die Elden Ring gerne spielen würden – wegen der Welt und der Lore. Nicht jede*r spielt Games nach dem Ash Ketchum-Prinzip. Nicht jeder will „der Beste“ sein. Die meisten Gamer*innen zocken sogar eben nur als Hobby. Sie wollen Spaß haben. Sie spüren nicht den Ehrgeiz und Anreiz, wie die Hardcore-Souls-Gamer, einen Boss nach 200 Versuchen endlich zu legen. Dieser Stolz auf sich selbst danach fehlt ihnen. Sie wollen einfach abschalten und die Welt erkunden.
Das macht das Genre kaputt!
Ein interessantes Argument. Und ein falsches.
Die meisten Souls-Likes sind Singleplayer-Spiele. Es gibt zwar manchmal Mehrspieler-Komponenten, doch diese sind mit Mods nicht zugänglich. Wenn ich also eine Mod installiere und damit meinen Spielstand leichter mache, beeinflusse ich nur meinen eigenen Spielverlauf. Das Genre bleibt dadurch unverändert. Andere erleben das Spiel also weiterhin ganz regulär.
Die Entwickler hinter Elden Ring haben ja bereits ihrerseits klar gemacht, den offiziellen Schwierigkeitsgrad nicht anzupassen. Sprich: Das Spiel selbst bleibt weiterhin so, wie es ist. Und wer es moddet, verändert nur den eigenen Ablauf. Warum also daran stören? Was kümmert es dich, welche Erfahrung jemand Anderes mit dem Game hat? Für dich ist ein leichteres Elden Ring vielleicht schlechter, aber für mich eben nicht. Meine Erfahrung muss sich nicht mit deiner Decken. Am Ende zählt doch nur, dass wir BEIDE jeweils Spaß mit dem Game hatten.
Die Mods nehmen niemandem etwas weg. Sie eröffnen aber die Games einer weiteren Zielgruppe. Es gibt mit Sicherheit Menschen, die Elden Ring nur dank der Verfügbarkeit solcher Mods überhaupt kaufen würden. Das bringt dann auch wieder Geld in die Kassen der Devs und steigert die Wahrscheinlichkeit für ein Elden Ring 2. Das ist ja auch in eurem Sinne, oder?
Wer nicht gut genug ist, soll es eben nicht spielen!
Warum nicht? Welchen Nachteil hast du davon, wenn jemand mit weniger „Skill“ jetzt Elden Ring mit Hilfe der Mod beendet? Du kannst doch weiterhin stolz auf deinen Erfolg sein. Deine Leistung wird ja dadurch nicht abgewertet oder beeinflusst.
Das ist Cheaten!
Ja und? In einem Einzelspieler-Spiel ist Cheaten völlig legitim. Ich nutze in Sims auch gerne Motherloade. Oder tgm in Skyrim. Oder AIWPRTON in GTA San Andreas. Ich ließ auch schon blaue Sportwagen in Age of Empires 2 auf die KI-Gegner los.
Wer von uns hatte nicht früher einen Zettel mit handgeschriebenen Cheatcodes für sein Lieblings-Solo-Game neben der PS2 liegen? Wer hat nicht Mogelpower als Favorit?
Solange es nur im Singleplayer passiert, beeinflusst es doch niemand Anderen. Mehrspieler ist natürlich etwas anderes – wer in diesem mogelt, gehört verbannt.
Sollen wir jetzt auch Fußball leichter machen, damit auch die 3. Liga in die 1. kommt?
Das war bisher der dümmste Vergleich, den ich je gelesen habe. (Und ja, das kam wirklich auf Threads als Antwort)
Erneut: Elden Ring ist eine SINGLEPLAYER-Erfahrung. Man spielt es ALLEINE. Fußball ist ein GEMEINSCHAFTSSPORT. Das kann man doch nicht vergleichen.
Es ist aber so von den Entwicklern vorgesehen – deren Vision wird dadurch verändert!
Okay, wo bleibt dann deine Beschwerde über Skyrim-Mods? Bethesdas Vision waren auch die Drachen – und dennoch gibt es Mods, welche die Drachen durch Thomas die fcking Lokomotive ersetzen. Oder Gegner leichter/schwerer machen.
Oder Total-Conversions. Was ist mit Bethesdas Vision, wenn jetzt eine Mod Skyrim in einen Ego-Shooter verwandeln würde?
Mods sind immer eine Veränderung dessen, was von den Entwicklern vorgesehen ist. Das ist der Sinn von Mods. Mods sollen das Spiel näher an die Vision der Spieler*innen bringen.
Es ist nicht fair, wenn Leute das Spiel dann anders bewerten wegen der Schwierigkeit!
Es ist ebenso wenig fair, wenn Spieler*innen negative Reviews auf Steam schreiben, weil im Main-Menü von The Quarry gegendert wurde. Oder weil in Banishers PoC existieren. Oder weil Aloy eine Frau küsst im Horizon-DLC.
Es gibt zu jedem Spiel unfaire negative Reviews oder gar Review-Bombings. Das ist aber kein Argument gegen eine Easy-Mod für Elden Ring. Diese macht das Spiel nur Leuten zugänglicher. Deren Review wäre ohne die Existenz des Mods auch nicht besser. Wenn sie überhaupt eine dalassen würden.
Ich werde hier ggf. weitere Argumente der Keepies ergänzen, wenn ich welche sehe und darauf eingehen. Kommen wir aber erst einmal zum endgültigen
Fazit
Games sollen Spaß machen. Spielt, was ihr wollt und wie* ihr wollt. Wenn ihr eine easy Mod nutzen wollt in Elden Ring,dann go for it. Ihr wollt im Gegenteil noch schwerere Bosse? Dann moddet eben in die andere Richtung. Do it! do it nau!
Aber hört auf, anderen vorschreiben zu wollen, wie sie das Game zu erleben hätten. Seid Gamer, keine Gatekeeper.
Euer
Beriel
*natürlich nur im Singleplayer; Im MP haltet euch gefälligst an die Regeln!