Baldur’s Gate 3 und Clair Obscur teilen sich nicht nur einige Gameplay-Elemente, sondern auch eine wichtige Botschaft: Beide stammen aus der Hand vermeintlich „kleiner“ Entwicklerteams und zeigen den großen Publishern mit ihren hochbudgetierten AAA- und sogar AAAA-Titeln deutlich den Mittelfinger.
Würden die großen Studios diese Herausforderung ernst nehmen, könnten sie daraus eine wertvolle Lehre ziehen: Die Mehrheit der Spielerinnen und Spieler ist schlichtweg müde von gigantischen, aber seelenlosen Spielwelten voller belangloser Sammelaufgaben, Season-Pässen und endlosem Grinding. Niemand möchte Spiele, die sich nach Arbeit anfühlen, in denen man stumpf Checklisten auf überfüllten Weltkarten abarbeitet.
Wir brauchen keine endlosen DLCs, bevor das Hauptspiel überhaupt erschienen ist. Auch keine absurden Einhorn-Skins für Reittiere in einem angeblich „historisch akkuraten“ Setting. Liebe Studios, was wir tatsächlich brauchen, ist das, was ihr scheinbar vergessen habt, während ihr so emsig an unseren Geldbeuteln arbeitet: Spielspaß. Echte Abenteuer, eine mitreißende Geschichte und Charaktere, deren Schicksale uns berühren und deren Gefühle wir teilen wollen.
Wir wollen mehr Clair Obscur – und weniger Oblivion.
Der aktuelle Trend zu „Remakes“ und „Remasters“ ist ein weiteres Zeichen dafür, wie kreativ ausgehungert viele große Studios inzwischen sind. Statt neue Ideen zu entwickeln, wärmen sie alte Erfolge auf. Sicher, es gibt gute Beispiele wie das Dead Space Remake oder hoffentlich auch das kommende Gothic-Remake, die beweisen, dass Neuauflagen durchaus Mehrwert bieten können, insbesondere wenn ältere Spiele auf modernen Plattformen nicht mehr problemlos laufen.
Allerdings verdeutlicht das Oblivion-Remaster, wie lieblos manche Studios bei der Wahl zwischen Remaster und Remake vorgehen. Oblivion funktioniert technisch noch immer gut auf modernen Systemen. Das eigentliche Problem lag jedoch nie in der Grafik, sondern vielmehr im Gameplay, im Level-Scaling, in der KI und den Quests. Ein echtes Remake hätte hier sinnvolle Verbesserungen bringen können. Stattdessen verkauft Bethesda uns lediglich eine optische Aufwertung für satte 50 Euro.
Gute Remakes erkennt man an ihrer Bereitschaft, das Original nicht nur optisch zu verbessern, sondern auch im Gameplay und der Story sinnvoll zu ergänzen. Dead Space ist ein Paradebeispiel dafür. Und genau deshalb würden viele von uns sicherlich lieber 70 Euro für ein liebevoll gestaltetes Remake ausgeben als 50 Euro für eine halbherzige Grafikaufpolierung.
Doch nicht nur bei Remakes und Remasters fehlt es an Inspiration. Auch viele aktuelle Neuerscheinungen großer Studios enttäuschen zunehmend und werden gleichzeitig immer teurer. Hier zeigen erneut die kleineren Entwicklerteams, wie es besser geht: Ein Clair Obscur oder Split Fiction kostet auf Steam jeweils rund 50 Euro. Vergleicht man das mit den 80 Euro oder mehr, die große Publisher mittlerweile für repetitive Fortsetzungen wie Call of Duty oder generische Open-World-Spiele verlangen, wird der Kontrast umso deutlicher.
Clair Obscur begeistert nicht nur durch eine faszinierende Welt und exzellente Story, sondern auch durch glaubwürdige Charaktere, herausragende Grafik und einen wunderschönen Soundtrack – all das für gerade einmal 50 Euro. Würde dieses Spiel von Ubisoft stammen, wäre der Preis wohl deutlich höher.
Dabei liegt die Stärke der kleinen Entwickler nicht nur im Preis. Sie wagen es, Risiken einzugehen. Sie vertrauen auf Kreativität und Leidenschaft statt auf Marktforschung und Verkaufsanalysen. Während große Studios uns die immer gleiche Erfolgsformel servieren, trauen sich kleine Teams, unkonventionelle Ideen umzusetzen. Und genau das ist es, was wir als Spieler zunehmend vermissen: Mut zur Originalität.
Das heißt natürlich nicht, dass jedes Spiel radikal neu oder innovativ sein muss. Aber wenn ein Spiel es schafft, uns emotional zu berühren und uns authentisch in seine Welt hineinzuziehen, dann hat es etwas erreicht, was keine noch so große offene Welt mit ihrem Sammelwahnsinn jemals schaffen wird. Emotionen, Tiefe und Originalität lassen sich nicht erzwingen oder einfach als Add-On nachliefern.
Und genau hier liegt auch der Erfolg von Spielen wie Baldur’s Gate 3, Clair Obscur oder anderen Indie-Perlen. Sie zeigen, dass die Gaming-Community längst wieder reif ist für Spiele, die uns ernst nehmen, uns überraschen, uns herausfordern – und zwar emotional und nicht bloß mechanisch. Spiele, die uns nicht für dumm halten und uns zig Questmarker möglichst fett ins Gesicht klatschen, während sie uns den Questlog auch stets gefüllt halten, damit wir ja beschäftigt sind.
Vielleicht sollten große Studios endlich einmal verstehen, dass wir Spieler keine Zahlen auf einer Excel-Tabelle sind, sondern Menschen, die Unterhaltung suchen – echte Unterhaltung. Wir wollen Leidenschaft, keine auf Hochglanz polierte Langeweile. Wir wollen Erinnerungen schaffen und nicht bloß unsere Freizeit „abarbeiten“.
Es bleibt zu hoffen, dass Erfolgsgeschichten wie die von Baldur’s Gate 3 und Clair Obscur nicht bloß Ausnahmen bleiben, sondern ein deutliches Signal an die Branche senden. Ein Signal, das besagt: Qualität, Leidenschaft und Authentizität zahlen sich aus – in mehrfacher Hinsicht. Denn wenn große Entwickler diese Lektion endlich lernen, profitieren wir alle davon.
Bis dahin sollten wir umso lauter den kleinen Studios applaudieren, die uns zeigen, wie Gaming sein kann und sein sollte. Denn diese Studios haben verstanden, worum es wirklich geht: Um Liebe zum Spiel – und um uns Spieler. Genau diese Liebe zum Spiel fehlt heute bei zu vielen Produktionen der großen Publisher. Das ewige Streben nach maximalem Profit verdrängt das, was Spiele ursprünglich ausgemacht hat: Die Hingabe und Begeisterung von Entwicklern, die uns in ihre Welt einladen möchten. Spiele waren früher eine Form von kreativer Kommunikation zwischen Entwickler und Spieler – heute sind sie oft nur noch eine Ware, deren Wert von Aktien und Quartalszahlen bestimmt wird.
Die guten Verkaufszahlen und begeisterten Rezensionen von Titeln wie Clair Obscur oder Baldur’s Gate 3 zeigen, dass es auch anders geht. Sie beweisen, dass Spieler bereit sind, gute Spiele zu honorieren – mit Geld, aber vor allem auch mit ihrer Anerkennung und Loyalität. Und gerade Clair Obscur zeigt dies stark – denn es wurde innerhalb einer Woche über 1 Mio. Mal verkauft – obwohl es zusätzlich im Gamepass ist. Obwohl 2 Tage davor das Oblivion Remaster per Shadowdrop veröffentlicht wurde.
Cheers.
Euer Beriel